Der Schmuck der Amazigh ist weit mehr als bloße Zierde – er erzählt Geschichten von Identität, Kultur und Tradition. Jede Kette, jedes Armband und jede Brosche trägt eine tiefere Bedeutung und ist eng mit den Lebenswegen der Amazigh verknüpft. Schon seit Jahrhunderten schmücken sich die Amazigh mit kunstvoll gefertigten Stücken aus Silber, die nicht nur als Schmuckstücke, sondern auch als Symbole von Macht, Schutz und sozialem Status fungieren.
Die Materialien: Mehr als nur Silber
Amazigh-Schmuck besteht in erster Linie aus Silber, das in der Amazigh-Kultur als reiner und heiliger Werkstoff gilt. Im Gegensatz zu Gold, das oft mit Macht und Reichtum assoziiert wird, steht Silber für Reinheit und Schutz vor bösen Geistern. Edelsteine, Korallen, Bernstein und Glasperlen werden häufig in den Schmuck eingearbeitet und verleihen ihm zusätzlich Farbe und Symbolkraft. Jeder Stein wird sorgfältig ausgewählt, da seine Farbe und Herkunft eine spezielle Bedeutung haben können. So steht beispielsweise roter Korallenschmuck für Vitalität und Schutz, während blaues Glas als Abwehr gegen den „bösen Blick“ dient.
Symbolik und Bedeutung
Die Formen und Muster des Amazigh-Schmucks sind reich an symbolischen Bedeutungen. Häufig verwendete Symbole sind geometrische Muster, die für Harmonie und Balance stehen, sowie das bekannte „Hand der Fatima“-Motiv, das vor bösen Einflüssen schützen soll. Dreiecke und Diamantformen sind ebenfalls häufig anzutreffen und symbolisieren Fruchtbarkeit und weibliche Stärke.
Eine besondere Rolle spielen die sogenannten fibulas – traditionelle Berberspangen, die als Verschlüsse für Kleidung dienen. Diese Spangen, oft aufwendig verziert, werden auch als Amulette getragen, die Glück und Schutz bringen sollen. In manchen Regionen wird der Schmuck auch als eine Art Währung genutzt, insbesondere bei der Mitgift, wenn eine Amazigh-Frau heiratet.
Schmuck als Ausdruck sozialer und spiritueller Verbundenheit
In der Amazigh-Kultur ist Schmuck nicht nur Ausdruck von Individualität, sondern auch ein Zeichen der Gemeinschaft. Zu besonderen Anlässen, wie Hochzeiten oder Festen, tragen die Frauen reich verzierte Schmuckstücke, um die Bedeutung des Ereignisses zu unterstreichen und ihren sozialen Status zu zeigen. In der Vergangenheit wurde Schmuck oft von Mutter zu Tochter weitergegeben, was ihn zu einem bedeutungsvollen Erbstück machte, das die Familientradition über Generationen hinweg bewahrte.
Die Kunst des Silberschmiedens
Das Kunsthandwerk des Amazigh-Schmucks ist eine über Jahrhunderte weitergegebene Tradition, die bis heute gepflegt wird. In kleinen Werkstätten, oft tief in den Bergen oder in den Souks von Marrakesch und Fès, sitzen Silberschmiede und formen sorgfältig jedes Detail der Schmuckstücke. Die Kunst des Silberschmiedens wird meist innerhalb der Familie weitergegeben, was dazu beiträgt, dass diese traditionelle Fertigkeit auch in modernen Zeiten fortbesteht.
Amazigh-Schmuck heute: Ein globales Erbe
Obwohl Amazigh-Schmuck eine lange Tradition hat, erfreut er sich auch heute weltweit großer Beliebtheit. Viele Menschen, nicht nur aus der Amazigh-Community, tragen ihn als Ausdruck ihrer kulturellen Verbundenheit oder als modisches Statement. In der Amazigh-Diaspora dient der Schmuck zudem als Brücke zur Heimat, indem er die eigene Herkunft in den Alltag integriert.
Weiterführende Literatur und Quellen:
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- Amine, Rachid: Berber Jewelry: Symbolism and Techniques. Artisan Books, 2004.
- Becker, Cynthia: Art of the Amazigh: Jewelry and Identity in the Maghreb. University of Washington Press, 2011.
- Maher, Vanessa: Women and Property in Morocco: Their Changing Relation to the Process of Social Stratification in the Middle Atlas. Cambridge University Press, 1974.